Im Jahre 1892 lancierte der Schweizerische Tierschutzverein eine Initiative, die das Ziel hatte, das Schächten zu verbieten. Ein Jahr später wurde sie vom Volk angenommen. Seitdem wächst in der Schweiz das Angebotsdefizit an geschächtetem Fleisch kontinuierlich an.
In der Schweiz gilt Fleisch als selbstverständlicher Bestandteil einer Mahlzeit. Es ist günstig, jederzeit erhältlich und schnell aufbereitet. Eine Umfrage von der nationalen Ernährungserhebung «menuCH» aus dem Jahr 2015 belegt, dass die in der Schweiz lebenden 18- bis 75-Jährigen täglich im Durchschnitt 111g Fleisch konsumieren. Hochgerechnet auf das Jahr sind das ca. 40.5kg Fleisch pro Person. Die von der Schweizer Lebensmittelpyramide empfohlene Konsummenge liegt bei 13.5kg pro Jahr bzw. 35g pro Tag. Somit essen Herr und Frau Schweizer 3-mal mehr Fleisch, als empfohlen.
Nachfrage der Muslime nach Halal-Fleisch
Wie sieht es bei den ca. 500’000 – 560’000 in der Schweiz lebenden Muslimen aus? Damit sie ihren Fleischkonsum, zumindest die empfohlene Menge decken können, benötigen sie Zugang zu geschächtetem Fleisch (siehe Infobox). Eine simple Rechenaufgabe ermittelt die jährlich benötigte Menge an Halal-Fleisch: 22’680’000kg. Doch wie gelangen die in der Schweiz lebenden Muslime und Musliminnen zu geschächtetem Fleisch, ist das Schächten doch seit 1893 verboten?
Infobox: Geschächtetes Fleisch
Die Tiere werden dabei nach einer rituellen Vorbereitung ohne Betäubung mit einem scharfen Messer und einem einzigen Schnitt quer durch die Halsunterseite erlegt. Durchtrennung der Blutgefässe, sowie Luft- und Speiseröhre soll einerseits das möglichst rückstandslose Ausbluten des Tieres, andererseits das möglichst tierschonende Verfahren gewährleistet werden.
Versteigerung von Halal-Fleisch
Um den ermittelten Bedarf zu decken, erlaubt die Schweiz den muslimischen Unternehmen, die gewerblichen Fleischhandel betreiben, eine bestimmte Menge an geschächtetem Rind- und Schaffleisch zu einem tiefen Kontingentszollansatz vom Ausland zu importieren. In einer vierteljährlich stattfindenden Versteigerung wird unter den Teilnehmenden jeweils 130’000 kg vergeben. Das Prinzip ist einfach. Jeweils die Partei, welche den höchsten Betrag pro Kilogramm bietet, erhält den Zuschlag für die von ihr gebotenen Menge. Dies führte in den letzten 3 Jahren dazu, dass sich der Preis vervierfacht hat. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass sich die anwesenden Parteien Jahr für Jahr gegenseitig mit höheren Preisen überbieten. Zurückzuführen ist es aber auch auf das Ungleichgewicht der Nachfrage (22’680’000kg) und des Angebots (520’000kg). Gerade mal 2% des Halal-Fleischbedarfs werden durch diese Versteigerungen gedeckt.
Juden erhalten Koscher-Fleisch
Den 14’500 in der Schweiz lebenden Juden gewährt die Schweiz übrigens dieselbe Importmenge an koscherem Fleisch (520’000kg / Jahr). Betrachtet man die Anzahl der Mitglieder der beiden Religionsgemeinschaften, muss selbst einem Aussenstehenden auffallen, dass hier keine Gerechtigkeit herrscht. Es spielt eine entscheidende Rolle, ob das Fleisch auf 14’500 oder auf 560’000 Personen verteilt werden soll.
Ausland als Alternative
Viele in der Schweiz lebende Muslime weichen deshalb ins grenznahe Ausland aus, wo sie Halal-Fleisch einkaufen können. In Deutschland gilt bei betäubungslosem Schächten ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Ein solcher Vorbehalt gewährt der Staat den Moscheen oder Schlachtbetrieben, die Halal-Fleisch aus religiösen Interessen produzieren und verkaufen. Dabei versucht der Staat einen Ausgleich zwischen Religionsfreiheit und Tierschutz zu schaffen. Auch Frankreich wird für die Halal-Fleisch Einkäufe genutzt, kennt das Land bis heute kein Schächtverbot.
Anstatt auch in der Schweiz eine Lösung für diese Problematik zu finden, wurde auf den 1. Juli 2014 das Importgesetz verschärft, sodass nun nur noch insgesamt ein Kilogramm Fleisch pro Person pro Tag, statt den bisherigen vier Kilogramm, eingeführt werden darf. Ein plausibles Mittel gegen den Einkaufstourismus, doch auf Kosten der in der Schweiz lebenden Muslime.
Mögliche Lösungsansätze?
Es gäbe mehrere Möglichkeiten, das Leben der Musliminnen und der Muslimen in der Schweiz zu vereinfachen und die in der Verfassung verankerten Religionsfreiheit zu gewährleisten. Einerseits bietet es sich an, das Importfleisch-Kontingent für die Halal-Erzeugnisse neu zu beurteilen und somit die versteigerte Menge zu erhöhen. Weniger Einkaufstourismus, kontrollierter Fleischimport und -verkauf wären nur einige der vielen Vorteile.
Andererseits, auch im Hinblick auf die stetig wachsende muslimische Gemeinschaft hier in der Schweiz, sollen Muslime eigene Schlachthöfe/ Geschäfte eröffnen. Die Produktion von halal-Fleisch ist in der Schweiz per se nicht verboten, wie es die Sila AG in Buckten (BL) aufzeigt. Unter den Augen eines Veterinärs werden dort die Tiere mittels Strom betäubt und anschliessend geschlachtet, was gemäss den islamischen Gelehrten in unserer Situation in der Schweiz eine erlaubte Methode darstellt. So werden unter anderem Kühe und Schafe aus der Schweiz für die Halal-Fleisch Produktion verwendet und Konsumenten können sich selber überzeugen, von wo das Fleisch kommt und unter welchen Umständen bzw. auf welchem Bauernhof das Tier aufwachsen konnte.
Quellen
- https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung/sprachen-religionen/religionen.html (letzter Zugriff: 07.06.19)
- https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/dokumentation/nsb-news-list.msg-id-66016.html (letzter Zugriff: 07.06.19)